" Wer spricht von Siegen? Überstehen is Alles!" Rainer Maria Rilke

Im Wald - die Hoffnung davor

 
Im Wald wird Sie es schwer haben mit mir. Ich mit mir auch.
 
Im Studio ist alles klar, dort ist Sie Herrscherin, auch ohne Thron. Alles gehört Ihr, ich bin der Wurm. Die Räume sind voll mit bösen Fantasien. In allen Ecken lauern Sie, nur leicht bewegt im Kerzenschein. Ergötzen sich an der Musik. Ob ich jemals alles kennen werde, was die Schränke bergen. Selbst wenn, bleibt Sie mir überlegen. Nur Sie weiß, wie man die toten Dinge zum Leben weckt, einen Faden, ein Stück Blech, einen kaputten Wecker zur perversen Bestie macht, mich ihr zum Fraß vorwirft.
Vor dem Studio habe ich Angst. Schon Tage bevor ich es betrete. Ich zittere wenn die Tür zuschlägt, versuche alles, um mich gut zu benehmen. Sie nennt es Unterwerfung. Alles tue ich, alles was Sie sagt. Es ist Ihr nie genug. Mutig werde ich nur, wenn Sie mir erlaubt, gegen mich selbst zu kämpfen. Manchmal ist die Angst so schlimm, dass ich vor lauter Eifer mehr falsch als richtig mache.
 
Im Wald habe ich keine Angst. Der Wald gehört mir. Besonders dieser Wald. Hier habe ich laufen gelernt. Und schwimmen. Da war sie noch gar nicht auf der Welt. Hier war mein Sandberg, mit der Höhle und den jungen Füchsen. Dieser Wald hat mir die Angst genommen vor Dunkelheit und Wind und Regen.
Was will Sie mir tun, in meinem Wald? Sie ist ein Stadtmensch. In hohen Stiefeln. Selbst barfuß bin ich besser dran.
Ich kann schneller rennen. Sie raucht zuviel.
 
Und doch, sie wird es schaffen. Warum? Im Wald bin ich stark, aber ich bin allein. Sie ist es nicht. Sie hat einen Helfer. Wenn Sie den weckt, kann ich nicht siegen, niemals. Er sitzt nämlich in mir, ist ein Teil von mir. Es ist meine eigene Geilheit.
 
Im Studio hat Sie mich so im Griff, dass Sie ihren Helfer kaum noch braucht. Manchmal sitzt er schmollend in der Ecke und muß zusehen, was ich mir auch ohne ihn alles gefallen lasse.
 
In der Wüste wäre es leicht. Im Schatten sitzen, mit Wasserflasche und Autoschlüssel, dass ist besser als ein Thron. Nackt in der Sonne würde ich winseln bis zum Ende, eine Stunde, höchstens zwei.
Zwei Stunden Wald, was soll es mir? Wahrscheinlich hat sie selber Angst vor jedem Mäuschen oder gar wenn eine hübsche Schlange kommt. Mich stört es nicht.
Warum wohl sollte ich in meinem Wald wie ein Hampelmann durch die Gegend springen. In lächerlichen Klamotten Männchen machen und Purzelbaum schlagen. Oder einfach so stehen bleiben, und mich verdreschen lassen? Weil Sie das so will? Sie wird ihn brauchen, Ihren Helfer.
 
Was ist so schlimm daran, frage ich mich. Wie viele Männer machen sich zum Hampelmann für eine schöne Frau, und erst vor dieser. Warum soll Sie es nicht wörtlich nehmen? Purzelbäume? Gut für die Kondition! Das Outfit? In Schlips und Anzug eingezwängt, um zu gefallen, hat mir nichts ausgemacht. Was soll am Gummianzug anders sein. Prügel? Glotzt nicht, grabt in Eurer eigenen Fantasie, ihr Pilzsucher und Angler. Ist es nicht das, dann etwas anderes, aber eine perverse Ecke, die habt ihr auch, mit Sicherheit.
 
Ich weiß auch schon, was er Ihr raten wird, der Mr. Helfer. Es ist das ewig alte Lied: "Fessle ihn, fessle ihn, dann ist er reif ...". Ich könnte mich selber prügeln für meine Schwäche, wenn es nur besser würde. Ketten, Leder, Seil egal, nur ein Gedanke daran und der Verstand setzt aus. Gierig streben Hände, Füße, Bauch und Hals wie von selbst ins Joch. Denkt an die Folgen, will ich schreien und bleibe stumm, Mr.Helfer grinst.
 
Die Folgen? Wie soll ich rennen, und wohin? Ich werde mich ins Studio wünschen. Vom harten Baumstumpf hin zum Bock, dem glatten, weichen. Weg aus der dreckigen Sandgrube hin zum edlen Teppich. Befreit von den stachligen Kiefern hin zu den eleganten Fesseln am schlanken Gerüst.
Sie wird mich leiden lassen, für den Aufwand, den ich Ihr bereite. Sie wird meine Gedanken erraten, über die Freiheit im Wald. Ich werde es büßen.
 
Hoffentlich schaffe ich es mit der Unterwerfung. Mein Wald darf mich nicht verleiten, frech zu werden. Sonst macht Sie mich noch fest an meinen Bäumen und läßt mich liegen. Wenn Sie sich richtig ärgert, gibt es keine Grenzen, das kenne ich.
Nicht das ich Angst hätte vor der Nacht im Wald, aber Sie soll es ruhig glauben. Oder doch? Mein Blick fällt auf die Zeitung. Klare Nächte, 5-8 Grad, morgens naß. Auch mit drei Decken eine Qual. Im Studio habe ich bei 18 schon gefroren. Klappernde und kriechende Unterwerfung am Morgen, selbst Mr.Helfer wird das Grinsen vergehen. Am Ende ist Sie besorgt, kann selbst nicht schlafen und liest mein schwarzes Buch. Das wäre fatal. Kurz vor Schluß steht da nämlich drin, wie man Leute wie mich nach einer kalten Nacht wieder aufwärmt. Wahrscheinlich ist auch das egal, Sie kennt die Methoden selbst.
 

Es wird spannend im Wald...

S. 14.09.06