"Venus im Pelz -- eine Lektion" von Kai
Teil 3
Er wusste nicht, wie lange er so gelegen hatte: die Arme weit hingebreitet vor der kaltstrahlenden Göttin, die Hände schmerzhaft durchbohrt von schwarzen nagelspitzen Absätzen. Für Minuten -- oder Stunden – muss ihm das Bewusstsein entglitten sein.
Langsam begannen seine Blicke an den hohen Absätzen hinaufzugleiten, streichelnd fast umschlossen seine Augen die nylonumhüllten Fersen. Der stechende Schmerz in seinem Handinnern hinderte ihn nicht, die Füße zu bewundern, deren Druck sich auf die Absätze übertrug. Er hatte gar das Gefühl, dass der Schmerz seine Bewunderung und Hingabe noch steigerte.
Seine Nasenflügel begannen zu beben, und die Zunge leckte nervös die Lippen. Unerreichbar waren diese Füße, unerreichbar.
Ein reißender Schmerz durchfuhr seine Hände, als sie von ihm ließ. Sie war aufgestanden und so selbstverständlich von ihrem Thron gestiegen, als ob nichts sie je damit verbunden hätte. Eine Parkbank am Sonntagnachmittag hätte man nicht gedankenleerer verlassen können. Zurückgeblieben war er, sich zusammenkrümmend und die schmerzenden Hände an sich ziehend ….
Hell und hart hörte er hinter sich ihre Schritte durch den halbdunklen Raum hallen. Er sah ihr nach und folgte mit dem Blick ihrem schwingenden Zobel. Aufrecht und stolz wie eine Königin bewegte sie sich durch das Zimmer, getragen von der Diktion ihrer hohen, schlagenden Absätze. Nachlässig schleifte ihre lange Peitsche am Boden. Sie zog eine Spur, der er unwillkürlich zu folgen bereit war. Ein fast hündisches Verlangen, dieser dünnen Spitze zu folgen, dieses zarte Ende einer harten Peitsche mit den Lippen zu ergreifen, devot zu befeuchten und zu lecken, bemächtigte sich seiner. Instinktiv hatte er das Gefühl, durch devoteste Hingabe eine kommende Strafe mildern zu können. Er spürte die Ambivalenz der Peitsche, deren schneidende Schärfe einerseits der Strafe dient und Schrecken in sich birgt, deren langsam zelebrierte Näherung jedoch, deren vorgeführte tänzelnde neckende Bewegung dem Zirkuspferd die Gier in die Nüstern zu treiben vermag. Die Zärtlichkeit einer Peitsche erregt um so mehr, als sie das Instrument der Erniedrigung ist.
Sie nahm im Halbdunkel etwas von der Wand und trat nun zu ihm ins Licht, um ihm ein ledernes Halsband anzulegen. Seine Empörung dagegen war mehr ein innerliches Grollen, und er war sich kaum noch sicher, ob es nicht auch schon der Lust entsprang und ob das Grollen nicht eher ein verhaltenes wollüstiges Grunzen war. Auf jeden Fall fühlte er sich an die Hand genommen, und noch dazu an eine ausgesprochen schöne Hand. Und mit dieser Hand würde er mit einer überaus festen, straffen Kette verbunden sein. Diese Hand versäumte es denn auch nicht, seinen Kopf sofort tief zu Boden zu ziehen, so dass sein Gesicht unsanft den Belag berührte. Ein schneidender Hieb auf seinen Rücken belehrte ihn über die schreckliche Seite der Peitsche, noch bevor er Gelegenheit gehabt hatte, sie mit seiner Zunge zu besänftigen. Die schöne Hand übergab nun ihr Kettenende ihrem Fußgelenk und band ihn in kurzem Abstand daran fest. Schon bei den ersten vagen Schritten merkte er, dass er zwar immer in äußerster Nähe zum begehrten Fuß sein würde, sie ihn, wenn er zu langsam wäre, gewaltsam vorwärts ziehen würde, ihm indes aber nie die Chance ließe, jemals ihren Fuß zu erreichen.
Eben noch hatte er das hündische Verlangen gespürt, ihrer lässig streifenden Peitschenspitze folgen zu wollen, nun hatte er mit einem Hundehalsband ihren Füßen zu folgen. Er folgte ihnen so dicht, dass der schwingende Saum ihres langen Pelzmantels von Zeit zu Zeit sanft seine Stirn berührte. Er genoss dies wie eine Entschädigung für alle Demütigungen. Sanft und wohltuend strich der Pelz über ihn hin, und schon musste er eilen, den herrlichen Füßen nachzurobben.
Er war ihr dicht – bei Fuß -- durch den angrenzenden Raum gefolgt, und er kehrte mit ihr zurück. Er fühlte sich jämmerlich, schon wegen der schweißtreibenden Anstrengung. Nur die zeitweilig aufbauende Berührung durch den Pelz verschaffte ihm Genugtuung. Aber, nun ja, es ließ sich nicht leugnen, IHR Hund zu sein, war etwas anderes, als nur Hund zu sein.
Zuvor hatte sie ihm überdies ein grausam schönes Bild entworfen: Sie säße auf einem pelzüberworfenen Sofa, die Beine hochgelegt, und tränke ein Glas Champagner, während er zu ihren Füßen zu liegen habe, angeleint wie ein Hund, und aus einer silbernen Schale ihren Sekt trinken dürfe. Er fand das Bild schön und auch angereichert mit einer großen Dosis Demütigung, aber es ist kaum anzunehmen, dass er erkannt hätte, was sie gemeint hatte.
Sie streifte, dicht gefolgt von ihrem „Hund“, durch den Raum und näherte sich bald einem Bereich breit hingestreuter Papiere. Ein verächtlicher Blick, ein Achselzucken, kaum wahrnehmbar, ließ sie für den Bruchteil einer Sekunde innehalten. Dann schritt sie fort mit ihren hohen spitzen Absätzen über Papiere, die ihr nichts wert waren.
Dicht am Boden ihr folgend, erschauerte er. Es waren seine Papiere, seine Studien, über Jahre entwickelt. Seine gelehrten Betrachtungen über die „Venus im Pelz“ des Leopold Sacher-Masoch, seine Erörterungen der Hintergründe, seine zeitgeschichtlichen Zuordnungen. Es waren seine Abhandlungen über die Dekadenz eines längst vergangenen Zeitalters. Betrachtungen, aus dem Abstand eines Jahrhunderts geschrieben. Abgeklärt und ohne Linie in die Gegenwart.
Er begann zu zittern. Vor ihm rissen unbarmherzig nagelspitze hohe Absätze die Papiere entzwei. Sie glitten über feine Stapel von Blättern, nicht ohne in ihnen einen tiefen Riss zu hinterlassen. Sie knitterten einzelne Papiere, sie durchstanzten feinere Blöcke, kein Blatt überlebte.
Hoch stand sie über seinen zerfetzten Papieren als die Verkörperung der neuen Venus. Sie richtete. Sie nahm sich das Recht zu richten. Sie hatte alles Recht.
Sie nahm sich eine Zigarette, steckte sie auf eine lange Spitze und zündete sie an. Tief und genussreich sog sie daran. Noch immer kniete er vor ihren Füßen, versunken in den majestätischen Anblick, der sich ihm darbot. Die erotische Spannung erwuchs aus der Mischung einer königlich-stolzen Haltung und dem leicht Frivolen, das noch immer einer rauchenden Frau anhaftet. Die langgestreckten Finger mit den blutroten Nägeln hielten grazil und elegant die schwarze Zigarettenspitze, die hellrote Glut leuchtete auf für lange Sekunden, und ihrem runden dunklen Mund entströmten hell die weißen Rauchschwaden.
Jetzt ergriff sie sein Kinn, öffnete schnell seinen Mund und klopfte – mit einem Lächeln – die rotglühende Asche in seinen Mund. Er erschauerte – erschreckt – und schluckte.
Belustigt malte sie sich aus, den ganzen Papiermüll, wie sie es nannte, mit ihrer Zigarette in Brand zu setzen und die zusammengefegte Asche von ihm vertilgen zu lassen. Er wusste nicht, wie ernst sie solchen „Spaß“ meinen könnte, und schwieg dazu.
Wieder ergriff sie fest seinen Unterkiefer. Die Zigarette hielt sie dicht über den sich öffnenden Mund. Er sah ganz nah die heiße Glut, er sah die erregenden spitzen Nägel, er sah, wie sich der Zeigefinger langsam wie ein Fallbeil hob, um das Urteil zu vollstrecken. Ein Beben ging durch seinen Körper, ein geiles Zucken. Und obwohl er unsägliche Angst litt, dieses Heiße gleich in seinen Mund aufnehmen zu müssen, schob sich seine Zunge vor, um es ja nicht zu verfehlen.
Ein schauderhaft bitterer Geschmack breitete sich warm in seinem Mund aus, und mit einer Mischung aus Ekel und demütiger Hingegebenheit begann er zu schlucken.
Bald darauf -- er hatte sich in sein Schicksal gefunden, nicht mehr als ihr Aschenbecher zu sein --, beugte sich die schöne Frau huldvoll mit einem Lächeln über sein Gesicht, schürzte ihre vollen Lippen, und als wäre es der Demütigung noch nicht genug gewesen, ließ sie langsam ihren leichten schaumigen Speichel in seinen Mund tropfen ... .
Für Sekunden behielt er ihn auf der Zunge. Instinktiv meinte er, ihn nicht so schnell loswerden zu wollen wie den Geschmack der Asche. In ihm widerstritten die Gefühle. Hatte er dies im ersten Moment als erneute und extreme Demütigung empfinden müssen, so glaubte er bald, ihren Speichel als eine Gabe, eine Gnade empfangen zu haben. Er wurde sich sicher, dass dies zwar die demütigendste, aber zugleich die einzige Art einer wahren Herrin war, ihren Sklaven zu küssen.
Innerlich beseelt und überglücklich schluckte er Ihren Speichel, und im selben Moment spürte er, wie sein inneres Glück sich seinem ganzen Körper mitteilte. Eine Welle der Erregung ergriff ihn, und sein Körper dehnte sich und streckte sich begehrend ihr entgegen.
Er liebte sie.
Wenn er es bis dahin noch nicht gewusst hatte, jetzt wusste er es. Er liebte sie -- abgöttisch. Er wäre bereit, alles zu empfangen, wenn es nur von ihr käme. Er wäre bereit, alles zu erdulden. Er wäre bereit, ihr zu dienen und nur darin sein Glück zu sehen. Er würde fortan ihr Eigentum sein.
Venus im Pelz? Hier hatte sie sich offenbart und Besitz von ihm ergriffen. Und einen belehrenderen Abend hätte er nicht wünschen können.
Als hätte sie seine Gedanken erraten, richtete sie sich auf, um ihren weiten Zobel wie ein Zelt um ihn zu schließen. Mit Bestimmtheit drückte sie ihn flach zu Boden, drehte sich über ihm, um sich breitbeinig über sein Gesicht zu stellen. Langsam senkte sich ihr Po auf ihn herab. Tief legte er sich auf seine Nase, seinen Mund … . Es wurde dunkel um ihn.
Gewidmet meiner schönen Herrin Madame Catarina, meiner Venus im Pelz, der ich meine erotischsten und schönsten Stunden verdanke. -- Kai